„Nein, es grenzt eher an ein Wunder, dass du ohne mich überleben konntest“, verbesserte ich ihn grinsend und konnte nicht anders als ihm leicht angesäuert auf die Finger zu hauen, als er meinte mir durch die Haare zu wuscheln. „Pass auf Freundchen, wenn du morgen nicht ohne deine rechte Hand aufwachen willst, solltest du das lieber unterlassen“, sprach ich dann eine nicht ganz so ernste Drohung aus und konnte meinen Bruder dabei nicht einmal lange genug ernst anblicken. In diesem Moment war ich eben einfach noch zu glücklich endlich wieder hier zu sein.

Nachdem ich den Becher mitsamt der Tüte auf dem Couchtisch abgestellt hatte, ließ ich mich auf der Couch nieder und streckte mich gewohntermaßen auf eben dieser aus. Schließlich wollte ich, dass mein Bruder all meine Eigenarten nun wieder in vollen Zügen genießen konnte. „Das mit dem Stammpub klingt doch wirklich klasse. Dann kann ich dir dort sicherlich des Öfteren mal zu hören und nebenbei kann ich dann ein Feierabendbier genießen … wenn ich denn dann mal einen Nebenjob finden sollte“, kommentierte ich seine Worte schmunzelnd und meinte diese im Grunde gar nicht allzu ernst. Zum Schutz aller Beteiligten sollte ich nämlich wohl besser nicht mal in die Nähe von alkoholischen Getränken.

„Manchmal frage ich mich auch, was genau ich damit eigentlich anfangen will und dann fällt mir immer wieder ein, dass ich schon sehr früh beschlossen haben Rechtsanwältin zu werden“, witzelte ich dann, wobei ich mit einer Hand nach der Tüte langte und einen den der verpackten Hamburger fischte. Ich glaubte nicht, dass ich es im Gegensatz zu Christian weit gebracht hatte. Es war eben einfach eine Ansichtssache.

Während ich den allein schon sehr fettig riechenden Burger aus der Folie schälte, blickte ich durchdringend zu ihm, um somit festzustellen, ob er mir nicht doch noch etwas zu sagen hatte. Ganz offensichtlich war das aber nicht der Fall, weshalb ich dann ja auch ebenso gut seine Frage beantworten konnte. „Ja, der ist wieder ausgezogen, nachdem ich ihm mit einem Nudelholz und einem Besen aus der Bude verscheucht habe“, es klang wie ein Scherz, aber diesmal war es keiner, ich hatte diesen Typen tatsächlich nur mit viel Mühe und etwas Gewalt aus meinen vier Wänden vertreiben können. „Nicht in meiner Ordnung, aber es stand noch alles als ich heimgekommen bin. Also ist soweit alles okay“, fügte ich dann noch bezüglich der Ordnung hinzu.

Sobald ich meine Wohnung verließ war ich das Chaos in Person, weshalb auch die wenigsten Leute glaubten, dass meine Wohnung vollkommen ordentlich war. Aber in meinem Zuhause hatte alles seinen Platz und wenn irgendjemand daran etwas ändern sollte, bekam dieser das auch augenblicklich zu spüren. Aber da ich jetzt nicht zu Hause war, konnte ich auch wieder etwas Unordnung schaffen, was damit anfing, dass ich die Verpackung des Burgers zusammenknüllte und versuchte es von meinem Sitzplatz irgendwie in den Mülleimer zu befördern, was mir natürlich nicht gelang. „Gott, ich habe dieses Essen wirklich vermisst. Ich meine, dahinten habe ich auch nur gefuttert, aber seit ein paar Tagen grenzt das beinahe bis ins Unermessliche“ und damit übertrieb ich keineswegs. Zwar aß ich immer recht viel, doch seit zwei Wochen folgte eine Heißhungerattacke der Nächsten.

Genüsslich biss ich den Burger und ließ meinen Blick gen Decke schweifen. „Wie schaut es denn bei dir momentan mit der Frauenwelt aus“, wollte ich dann trotzdem in Erfahrung bringen, richtete meinen Blick wieder auf Chris und wippte anzüglich mit den Brauen. Da er das Thema nicht von sich aus angesprochen hatte, musste ich das eben tun, schließlich wollte er auch immer alles wissen.

Auf seine Worte hin verdrehte ich einmal kurz die Augen. „Ja, das ist wirklich ein Wunder, aber dank meines hervorragenden Stoffwechsels bin ich immer noch in Form“, entgegnete ich dann beinahe vollkommen erst. Immerhin musste Chris ja nicht wissen, dass ich neuerdings den Knopf von manch einer Jeans nicht mehr zugeknöpft bekam.

Viel interessanter war es ohnehin, dass es scheinbar tatsächlich wieder eine Frau im Leben meines Bruders gab, also standen meine Gewichtsprobleme erst einmal hinten an. Mein Grinsen wurde mit jedem seiner Worte noch breiter und als er endlich das ausgesprochen hatte, was ich hören wollte, verzehrte sich alles in mir danach dieses nervtötende Quietschen von mir zugeben, dass sehr an ein Meerschweinchen erinnerte und welches ich sonst immer von mir gab, wenn ich mich wirklich über etwas freute.

„Das klingt doch gerade zu perfekt ! Du musst sie unbedingt auf ein Date einladen und wenn sie einen Freund hat, hat sie ihn spätestens bis dann nicht mehr“, versicherte ich ihm zuversichtlich und nickte einmal um meine Worte noch einmal zu bekräftigen. „Frag sie doch ganz einfach, mehr als nein sagen kann sie schließlich nicht“, fügte ich dann noch hinzu und konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln. Diese Neuigkeit hatte soeben förmlich meinen Tag gerettet.

Bei der ganzen Aufregung hatte ich fast vergessen weiter zu essen, weshalb ich mich nun daran machte, den zweiten Burger zu verschlingen, wobei ich mir zwischendurch auch einige der Fritten in den Mund schob. „Erzähl mir mehr über deine vermeidlich neue Freundin. Wie heißt sie ? Wie ist sie so ?“, hakte ich dann noch etwas nach, während ich kurz in der Küche verschwand, um gleich darauf mit einem Nutellaglas zurück ins Wohnzimmer zu kehren.

Mein Blick ruhte voller Neugierde auf meinem Bruder, während ich das Glas der Nuss-Nougat-Creme öffnete und die erste Pommes hinein tunkte. In dem Moment war mir gar nicht bewusst, wie furchtbar ekelhaft diese Mischung eigentlich war. „Am besten komme ich ganz einfach mit und checke sie erst einmal ab, ob sie denn überhaupt gut genug für dich sein könnte“, meinte ich dann und verschlang dann auch noch die letzte Nutella-Fritte.

Ein wenig angewidert blickte ich dann auch auf den eigentlich süßen Brotaufstrich und auf die leere Verpackung der Pommes. „Momentan habe ich wirklich Heißhunger auf echt ekelhaften Kombinationen. Heute morgen habe ich eine Banane mit Senf gegessen..“, dachte ich dann laut vor mich hin und schüttelte dann doch wieder amüsiert den Kopf über mich selbst.

Noch immer sah ich ihn ziemlich erwartungsvoll an und wartete darauf, dass Chris endlich von der Dame zu erzählen begann, doch anscheinend wollte er in dem Moment erst einmal etwas anderes klären. Seine plötzliche Ernsthaftigkeit irritierte mich, was man deutlich an meiner verwirrten Miene ablesen konnte. Ich wusste einfach nicht worauf er hinaus wollte. „Ist das jetzt wieder einer dieser Tricks um vom eigentlichen Thema abzulenken ?“, fragte ich deshalb und klang dabei fast schon etwas vorwurfsvoll.

Doch als er bei seinen darauffolgenden Worten weiterhin zu ernst blieb, wusste ich, dass es ihm nicht darum ging, diesem Thema zu entgehen. Ich hätte nicht einmal im Traum daran gedacht schwanger zu sein, aber das würde diese seltsamen Kombinationen erklären, die ich momentan immer wieder zu mir nahm. „Ich hatte niemanden in Ungarn und ich bin auch nicht schwanger“, versuchte ich dann meinen Bruder etwas zu beschwichtigen, den diese vermeidliche Tatsache doch sehr zu stören schien. „-glaube ich“, fügte ich dann beinahe kleinlaut hinzu, schließlich wollte ich weder ihn, noch mich selbst belügen.

Ich trank einen Schluck von meiner Fanta, einfach um einen Augenblicklich mal nichts sagen zu müssen. Währenddessen dachte ich darüber nach und tatsächlich gab es eine Nacht, an die ich mich nur noch blass erinnern konnte. Einige Kommilitonen hatten mich überzeugen können in das Nachtleben von Budapest einzutauchen und dann auch noch etwas zu trinken. Vermutlich war das der Fehler gewesen. „Ups..“, war das einzige was mir gerade dazu einfiel.

„Aber nein, das ist nicht möglich. Ich meine ich bin verantwortungsbewusst und das alles, ich meine du kennst mich doch“, meinte ich dann und wollte nun wieder von dem Thema wegkommen. „Außerdem wolltest du mir gerade etwas von deinem Mädchen aus dem Pub erzählen und eine Frage beantwortet man bekanntlich nicht mit einer Gegenfrage, also rück gefälligst mit den Worten raus“, forderte ich Chris dann auf, während ich meine Haare nun doch wieder zu einem Zopf band.

Beinahe entsetzt blickte ich meinen Bruder an, als er mich geradezu anschrie und für etwas nieder machte, wovon wir derzeit gar nicht wussten, ob es überhaupt der Realität entsprach. Fassungslos erhob ich mich von meinem Platz vom Sofa und schlüpfte bereits von allein wieder in meine unbequemen Schuhe.

„Ich habe dich nie darum gebeten, dass du dich für mich einsetzen sollst. Jeder macht mal Fehler, schon vergessen ?“, war das einzige, dass ich leise vor mich hin murmelte, anstatt wie sonst immer gleich zu explodieren, eben ganz so wie Chris vor wenigen Sekunden reagiert hatte. Doch ich hielt mein Temperament unter Kontrolle und verkniff mir jeden weiteren Kommentar. In dieser Situation wollte ich ihn nicht noch unnötigerweise noch weiter reizen.

Sowohl die Jacke, als auch den Zweitschlüssel nahm ich entgegen, zog mir die Jacke über und ließ den Schlüssel in meiner Hosentasche verschwinden. „Ich werde da sein“, dessen war ich mir zwar gerade noch nicht so sicher, aber vorerst würde es dabei wohl bleiben.

Kurz sah ich meinem älteren Bruder nach, wie er die Wohnung verließ, ehe ich mir eine lose Strähne aus dem Gesicht strich, tief durchatmete und dann ebenfalls die Wohnung verließ. Hätte ich gewusst, wie das alles enden würde, wäre ich an diesem Tag doch lieber in meinen eigenen vier Wänden geblieben.

--> ins Nirgendwo

<---- Apotheke

Mit jedem Schritt fühlte ich wie mein Herz mehr zu rasen begann, doch dann redete ich mir wieder ein, dass es nur mein Bruder war, mit dem ich gleich sprechen würde, also brauchte ich mich gar nicht so verrückt zu machen. Nun hatte ich eindeutig wieder ein besseres Gefühl und nahm mir die Zeit um im Flur meine Schuhe auszuziehen und meine Jacke aufzuhängen, ehe ich dann ins Wohnzimmer ging, wo Chris bereits auf der Couch saß und auf sie wartete.

„Ja, da bin ich und ich weiß, ich bin nicht pünktlich, aber damit musst du leben“, waren meine ersten Worten, die ich ihm entgegen schmiss, während ich die Musik ausschaltete und dann die Plastiktüte auf dem Couchtisch ausleerte. Ich kauerte mich auf den Boden davor und machte mich daran die ganzen Anleitungen durchzulesen.

Dann stand ich wieder auf, schnappte mir die zahlreichen Packungen – es waren genau fünf an der Zahl – und verschwand dann einige Minuten im Badezimmer. Während ich zurück ins Wohnzimmer ging haftete mein Blick auf den kleinen Displays der Test, welche ich auf der Plastiktüte ablegte und mich selbst auf der Couch niederließ.

„Jetzt bleibt uns wohl nicht anderes übrig, als zu warten, aber versprich mir, dass du nicht sauer auf mich sein wirst, okay ?“, fragte ich fast schon kleinlaut und warf einen prüfenden Blick zu Chris. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn er wütend auf mich war und das wusste er genauso gut wie ich.

Die Minuten verstrichen nur schleichend, doch als die Zeit dann endlich um war, wagte ich es mich kaum nachzusehen, wie das Ergebnis denn nun lautete. „Ich will das nicht sehen. Sag du mir lieber, was jetzt Sache ist ..“,meinte ich dann und blickte meinen großen Bruder flehend an.

Ich war überaus erleichtert, dass es zwischen Chris und mir, immer noch genauso war, wie vor meinem Aufenthalt in Ungarn. Er würde zu mir stehen, egal ob ich schwanger sein sollte oder eben nicht, wobei mir zweiteres auch eindeutig lieber war. Seine Worte brachten meine Mundwinkel kurz zum zucken, denn zu lächeln schaffte ich in dieser Situation einfach nicht. „Danke“, sagte ich dann und blickte meinen großen Bruder ebenso voller Dankbarkeit an. Ich hatte Leute die hinter mir standen, egal was passieren würde und das nahm mir zumindest ein wenig die Angst.

Während er auf den Test sah, versuchte ich anhand seiner Reaktion abzusehen, um was für ein Ergebnis es sich handelte, aber sonderlich viel konnte ich leider nicht daraus schließen. Mir blieb also nichts anderes übrig, als den Test, den er mir dann entgegen hielt, selbst in die Hand zu nehmen und einen Blick darauf zu werfen.

Mit diesem einen Blick viel mir eine zentnerschwere Last vom Herzen. Der Test zeigte nur einen Strich an, aber bevor ich mich zu früh freuen sollte, nahm ich auch noch die anderen Test in die Hand, aber alle zeigen das gleiche Ergebnis : Nicht schwanger. Voller Freude sprang ich auf, ehe ich mich mehr oder minder auf Chris schmiss, als ich ihm erleichtert um den Hals fiel. „Ich bin nicht schwanger !“, jubelte ich und freute mich wie ein kleines Kind an Weihnachten.

„Das müssen wir unbedingt feiern gehen und zwar jetzt sofort. Keine Widerrede“,sagte ich dann bestimmend, sammelte die Tests vom Couchtisch und warf sie allesamt in den Müll, ehe ich auch schon in meine Schuhe schlüpfte. „Kommst du jetzt oder brauchst du eine extra Einladung, alter Mann“, rief ich neckend Richtung Wohnzimmer, während ich mir schon meine Jacke überzog und gar nicht aufhören konnte vor mich hin zu lächeln. „Ich will nämlich jetzt deine neue Freundin kennen lernen.“

Es stellte sich wohl als großer Fehler heraus meinen Bruder gerufen zu haben, denn erstens verwirrte er mich nur noch mehr und zweitens war ich echt schnell von seiner Art genervt. Wenn ich einen Kater hatte, war ich nun mal überaus launisch und reagierte auch dementsprechend gereizt auf all seine Worte.

Umso erleichterter war ich, als er dann abdampfte und mir hoffentlich genügend zu Essen besorgte. Ja, so manch einer konnte schon neidisch auf mich sein, dass ich so einen großartigen Bruder an meiner Seite schätzen konnte. „Ich werde schon nicht wieder ins Fischglas kotzen, das kann ich Klaus nicht antun. Keine Sorge“, gab ich meine Augen verdrehend zurück, musste aber leicht schmunzeln, als er mir einen Kuss auf die Stirn drückte. „Bis gleich“, und dann war er auch schon binnen von Minuten fort.

Noch immer stand ich unschlüssig im Badezimmer und wusste nicht so recht, ob ich es nicht doch wagen sollte es zu verlassen und es mir stattdessen im Wohnzimmer bequem zu machen. Letztendlich überzeugte mich das Argument, dass dort der Fernseher stand davon und so atmete ich tief durch, spülte mir kurz den Mund aus und machte mich dann auf den Weg ins Wohnzimmer.

Der Weg gestaltete sich schwieriger als gedacht, zumal ich unterwegs noch meine Handtasche aus dem Flur holen musste, mit welcher ich mich dann auf der Couch niederließ. Ich fischte mein Handy heraus und beschloss @Mia Amalia Curtis zu simsen. Wir hatten uns seit meiner Rückkehr aus Ungarn auch nicht gesehen und ich konnte nun wirklich etwas Gesellschaft gebrauchen. An die eigentlich Nachricht fügte ich die Adresse von meinem Bruder hinzu und lehnte mich dann zurück.

Während ich darauf wartete, dass Mia dann eintrudelte, schaltete ich den Fernseher ein und sah mir eine Folge 'Doctor Who' an, irgendetwas sinnvolles an diesem Tag musste ich ja tun. Derweil kramte ich gleichzeitig in meiner Tasche und fand dabei ein Tütchen, welches ich stirnrunzelnd betrachtete. Das kann doch nicht ... Oh scheiße ! Ich konnte wirklich von Glück sagen, dass Chris nicht in meine Tasche gesehen hatte, sonst wäre ich jetzt am Arsch gewesen.

In dem Moment wurde ich von einem Klingeln an der Tür aus den Gedanken gerissen, legte das Tütchen auf den Couchtisch und ging zur Tür um diese zu öffnen. „Hey, da bist du ja endlich !“, ich fiel Mia einmal lächelnd um den Hals , ehe ich ihr anwies mir ins Wohnzimmer zu folgen, wo ich mich auf meinem üblichen Platz niederließ. „Wie geht es dir ? Und frag bitte nicht, warum ich aussehe wie Tage lang verprügelt“, legte ich dann auch direkt mit dem Geplauder los und sah sie erwartungsvoll an.